Spotlighting Museums, vol. 24
Große Wirkung. Zusammenarbeit mit Museen - High Impact. Co-Creation with Museums
Please find the English Version below
Willkommen zur Frühlingsausgabe des Newsletters Spotlighting Museums. Wir nehmen Sie mit in den Süden der Schweiz, ins Val Verzasca – einem wilden Tal mit steilen Hängen und einem eigenwilligen Fluss.
Dort befindet sich das ethnografische Museo di Val Verzasca mit drei Standorten und fünf Freilichtrouten, die an verschiedenen Orten im Tal starten. Der Sentiero delle leggende, der 2019 in Zusammenarbeit mit der Fondazione Verzasca realisiert worden ist, ist einer davon.
Da wir das Projekt als Förderpartnerin gut kennen, wende ich mich mit dieser Ausgabe heute an Sie. Mein Name ist Christine Müller Stalder und ich arbeite seit Juni 2022 in der Förderung der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) und bin mitverantwortlich für das Programm „Das relevante Museum”, das wir in Partnerschaft mit der NORDMETALL-Stiftung gestalten und finanzieren.
Veronica Carmine (Kuratorin, Museo di Val Verzasca) und Marta Pucciarelli (PhD Forscherin am Institut für Design, SUPSI) erzählen, was passiert, wenn ein Museum, Expert:innen für barrierefreies Design und Kommunikation (Institut für Design, SUPSI), Gehörlose (vom Schweizerischer Gehörlosenbund) und Bewohner:innen von Verzasca partizipativ arbeiten und den Sagenweg neu interpretieren: Toccare le leggende – ein partizipatives und inklusives Ausstellungsprojekt, das über materielles Kulturerbe (Objekte) immaterielles Kulturerbe auf dem Sentiero delle leggende zugänglich macht.
Freilichtrouten als Pop-Up Räume
Der Sagenweg - Sentiero delle leggende - ist ein ca. drei Kilometer langer Rundweg. Besucher:innen treffen auf Holzskulpturen – Kobolde, Hexen und andere Figuren aus der Alpenwelt – und auf Wegweiser, die an jeder Etappe eine Legende aus einem anderen Verzasca-Dorf mit Illustrationen, Text und Audio (über QR-Code abrufbar) auf Französisch, Deutsch und Italienisch vorstellen. Die Legenden definieren die lokalen Bräuche und die Identität der Orte, an denen die Bewohner:innen einst lebten – eine Alp, ein Wald, ein Fluss, ein Berg. Sie alle sind Teil des immateriellen Kulturerbes des Ortes, aus dem sie stammen.
Dreharbeiten mit einer Talbewohnerin. 14.05.2022. Foto von Luca Morici, 2022, cc by-sa.
Berührende Legenden für Zugänglichkeit und Nähe zum Publikum
Das Projekt Toccare le leggende wurde vom Museo di Val Verzasca in Zusammenarbeit mit dem Institut für Design, SUPSI, dem Schweizerischen Gehörlosenbund (FSS) und einer Gruppe von Verzasca-Bewohner:innen, die Häuser entlang des Sagenweges in Gerra Verzasca besitzen, umgesetzt. Toccare le leggende ist Teil des Projekts Accessible Heritage Inclusive Territory, das von verschiedenen Institutionen finanziert wird. Ziel von Toccare le leggende ist, die Legenden entlang des Pfades zu sammeln und weiterzugeben und sie visuell und digital zugänglich zu machen. Dabei sollte die Zugänglichkeit besonders auf das gehörlose Publikum ausgerichtet werden. Mindestens ein:e gehörlose Teilnehmer:in sollte als Museumsführer:in ausgebildet werden, damit diese zukünftig inklusive Führungen in der Region anbieten kann. Zudem wollte das Museum sein Publikum kennenlernen und neue Besucher:innen anlocken.
Design Thinking für mehr Empathie
Damit den Bedürfnissen aller Teilnehmer:innen gerecht werden konnte, wurde der partizipative und kreative Ansatz des Design Thinking (Einfühlungsvermögen, Konzeption von Prototypen, Testen und Bewerten) gewählt und das Projekt in drei Entwicklungsphasen unterteilt: „Wir lernen uns kennen”, „Creiamo” und „Let’s show”.
„Wir lernen uns kennen” (Empathie): Designer:innen und gehörlose Teilnehmer:innen treffen die Bewohner:innen entlang des Sagenweges, lernen ihre Häuser und die Legenden zu den Objekten, die noch in deren Häusern aufbewahrt werden, kennen.
„Creiamo” (Definition, Konzeption, Prototyping): Die SUPSI-Designer:innen laden die Teilnehmer:innen zu einem zweitägigen Workshop ein, um gemeinsam die ursprünglichen Ziele neu zu definieren, das Konzept partizipativ zu erarbeiten und daraus prototypisch die Inhalte des neuen Setups zu entwickeln.
Zweitägiger Workshop, SUPSI, Mendrisio. Foto Luca Morici, cc by-sa.
„Let’s show” (Test): Ein Ausstellungsprototyp und Videoproduktionen werden realisiert und von den Teilnehmer:innen des Projekts im Zentrum von Cà Nòv für die breite Öffentlichkeit ausgestellt.
Objekte im Zentrum von Cà Nòv. Foto von Desirée Veschetti, 2022, cc by-sa.
2023 geht’s weiter mit einer inklusiven Theaterexkursion entlang des Sagenweges in Zusammenarbeit mit der Accademia Dimitri und mit dem Verzasca Foto Festival eine inklusive Installation. Außerdem werden neue Videos zu den einzelnen Legenden produziert und von Student:innen der Universität Genf (Faculté de traduction et d’interprétation) in Gebärdensprache übersetzt. Inklusive Führungen und Ausbildungen von Menschen mit Beeinträchtigungen zu Museumsführer:innen entlang des Sagenweges sollen zukünftig institutionalisiert werden, einerseits im Rahmen des Internationalen Museumstags am 21. Mai 2023 zum Thema „Happy Museums: Nachhaltigkeit und Wohlbefinden” sowie während der Internationalen Woche der Gehörlosen Ende September.
Kleines Museum – große Wirkung
Dank Toccare le leggende ist das immaterielle Kulturerbe entlang des Legendenpfades zugänglicher geworden: Durch die persönliche Einbeziehung der Teilnehmer:innen in die Ausstellungsgestaltung konnte der Zugang zu den Legenden multisensorisch entwickelt werden. Für die Besucher:innen des Sagenweges wurde das Erlebnis so intensiver und vielschichtiger und es konnte ein breiteres Publikum angesprochen werden. Das lokale Kulturerbe kann so auf originelle Art und Weise gefördert und die Bedeutung und Wertschätzung des immateriellen Erbes gestärkt werden - eine wertvolle und bereichernde Erfahrung für alle!
Für diesen Einblick danken wir Veronica Carmine, die seit zehn Jahren als Kuratorin und Kulturvermittlerin im Museo di Val Verzasca arbeitet und Marta Pucciarelli, deren Forschungsinteresse der Zugänglichkeit des kulturellen Erbes gilt, um die kulturelle und soziale Eingliederung von Randgemeinden zu fördern.
Ihnen wünschen wir einen schönen Frühlingsanfang und wenn es die Zeit zulässt, reisen Sie ins Tessin: Toccare le leggende ist noch bis zum 12. Juni 2023 zu sehen.
Herzliche Grüße
Christine Müller Stalder, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG)
Hinweis: Die Inhalte und Bilder in diesem Text werden unter einer Creative Commons Attribution Share-Alike 4.0 International (CC BY-SA 4.0) Lizenz veröffentlicht. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en
Carmine, V., Pucciarelli, M. 2023. “Toccare le leggende”.
English Version
Welcome to the spring issue of Spotlighting Museums. We take you to the south of Switzerland, to the Val Verzasca - a wild valley with steep slopes and a river of its own kind.
There is the ethnographic Museo di Val Verzasca, with three sites and five open-air routes that start from different places in the valley. The Sentiero delle leggende, realised in 2019 in collaboration with the Fondazione Verzasca, is one of them.
Since we know the project well as funder, I am addressing you with this issue today. My name is Christine Müller Stalder and I have been working as a grant manager for the Foundation for Art, Culture and History (SKKG) since June 2022 and I am jointly responsible for the “Relevant Museum” programme, which we design and finance in partnership with the NORDMETALL-Foundation.
Veronica Carmine (curator, Museo di Val Verzasca) and Marta Pucciarelli (PhD researcher at the Institute of Design, SUPSI) explain what happens when a museum, experts in accessible design and communication (Institute of Design, SUPSI), deaf (from the Swiss Federation of the Deaf) and residents of Verzasca work participatively and reinterpret the sagatrail: Toccare le leggende - a participatory and inclusive exhibition project that makes intangible cultural heritage accessible on the Sentiero delle leggende on the basis of tangible cultural heritage (objects).
Open-air Routes as Pop-Up Rooms
The sagatrail - Sentiero delle leggende - is a circular route of about three kilometers. Visitors will visit wooden sculptures - goblins, witches and other figures from the Alpine world - and signposts that at each stage tell a legend from a different Verzasca village with illustrations, text and audio (accessible via QR code) in French, German and Italian. The legends define the local customs and identity of the places where the residents once lived - an alp, a forest, a river, a mountain. They are all part of the intangible cultural heritage of the place they come from.
Filming with a resident of the valley. 05/14/2022. Photo by Luca Morici, 2022, cc by-sa.
Touching legends for accessibility and closeness to the audience
The Toccare le leggende project was supported by the Museo di Val Verzasca in collaboration with the Design Institute, SUPSI, the Swiss Federation of the Deaf (FSS) and a group of Verzasca residents who own the houses along the sagatrail in Gerra Verzasca. Toccare le leggende is part of the Accessible Heritage Inclusive Territory project funded by various institutions. Toccare le leggende aims to collect and pass on the legends along the path and to make them accessible visually and digitally. Accessibility should be particularly geared towards the deaf audience. At least one deaf participant should be trained as a museum guide so that they can offer inclusive tours in the region in the future. Furthermore, the museum wanted to get to know its audience and attract new visitors.
Design thinking for more empathy
In order to meet the participants needs, the participatory and creative approach of Design Thinking (empathy, conception of prototypes, testing and evaluation) was chosen and the project was divided into three phases: “Let's get to know each other”, “Creiamo” and “Let's show”.
“We get to know each other” (empathy): designers and deaf participants meet the residents along the Saga Trail, learn about their homes and the legends surrounding the objects, still kept in their homes.
“Creiamo” (definition, conception, prototyping): The SUPSI designers invite the participants to a two-day workshop in order to jointly redefine the original goals, to develop the concept in a participatory manner and to use it as a prototype for the contents of the new setup to develop.
Two-day workshop, SUPSI, Mendrisio. Photo Luca Morici, cc by-sa.
“Let’s show” (test): An exhibition prototype and video productions will be realised and exposed to the general public by the participants of the project in the center of Cà Nòv.
Objects in the center of Cà Nòv. Photo by Desirée Veschetti, 2022, cc by-sa.
2023 continues with an inclusive theater excursion along the sagatrail in collaboration with the Accademia Dimitri and with the Verzasca Foto Festival an inclusive installation. In addition, new videos for the individual legends will be produced and translated into sign language by students from the University of Geneva (Faculté de traduction et d'interprétation). In the future, inclusive guided tours and training for people with disabilities to become museum guides along the sagatrail are to be institutionalised as part of the International Museum Day on 21st May 2023 on the topic “Happy Museums: Sustainability and Well-Being” and during the International Week of the Deaf at the end of September.
Small Museum - High Impact
Thanks to Toccare le leggende, the intangible cultural heritage along the sagatrail has become more accessible: through the engagement of the participants in the exhibition design, access to the legends could be developed in a multi-sensory way. For the visitors of the Legends Path, the experience became more intense and complex and a wider audience could be addressed. The local cultural heritage can thus be promoted in an original way and the importance and appreciation of the intangible heritage can be strengthened - a valuable and enriching experience for all!
For this insight we thank Veronica Carmine, curator and cultural educator at the Museo di Val Verzasca for ten years, and Marta Pucciarelli, whose research interest is the accessibility of cultural heritage to promote the cultural and social inclusion of marginalized communities.
We wish you a nice start of spring and if time permits, travel to Ticino: Toccare le leggende can be seen until 12th June 2023.
Best wishes
Christine Müller Stalder, Foundation for Art, Culture and History (SKKG)