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Willkommen in der März-Ausgabe von Spotlighting Museums! In Zeiten multipler Krisen braucht es Räume, die Orientierung, Reflexion und Zuversicht bieten. Museen können genau solche Orte sein – indem sie mit ihrer Arbeit nicht nur bewahren, sondern aktiv gesellschaftliche Resilienz stärken. Doch was braucht eine Institution selbst, um widerstandsfähig zu bleiben? Wie kann organisationale Resilienz gezielt entwickelt werden?
Museen als Orte der Resilienz, die erfolgreich durch Krisen navigieren, wurden nicht zuletzt auf der letzten Tagung des Deutschen Museumsbundes in den Fokus gestellt. Als Ergebnis wurde im vergangenen Jahr die Checkliste „Krisenfeste Museen“ veröffentlicht, die einen kompakten Einblick in Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz im Museum bietet. Auch in der Veranstaltungsreihe ICOM Mondays vom deutschen Nationalverband werden immer wieder Einblicke in Krisen und Lösungsansätze im internationalen Museumsektor gegeben, als nächstes am 7. April mit Elizabeth Merrit, Vice President for Strategic Foresight der American Alliance of Museums.
„In turbulenten Zeiten kommt auf die Kultur eine größere Verantwortung zu. Sie wird zu einer neuen Form der Kommunikation, einer Festung für die demokratischen Prinzipien.“1
Diese treffende Einschätzung findet die georgische Kulturmanagerin Ana Riaboshenko im Artikel „Resilienz durch Kultur“ vom Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, in der Zeitschrift Kultur und Politik. Mit dieser Verantwortung gehen selbstverständlich neue Herausforderungen einher, die auch die erfahrensten Institutionen an ihre Grenzen bringen können. Wir möchten in diesem Newsletter beleuchten, inwieweit Museen ihre Resilienz steigern können und somit bestmöglich auf Krisen vorbereitet sind.
Was macht Museen resilient?
Organisationale Resilienz ist eine erlernbare Fähigkeit, mit Krisen umzugehen und langfristig handlungsfähig zu bleiben. Das bedeutet nicht, einfach durchzuhalten oder in Krisen unerschütterlich zu bleiben. Vielmehr geht es darum, Wandel als Konstante anzuerkennen, Strukturen anzupassen und sich aktiv weiterzuentwickeln. Ein Zurück zum Zustand vor der Krise ist oft weder möglich noch sinnvoll – entscheidend ist, das transformative Potenzial von Herausforderungen zu nutzen.
Vertiefend hat Dr. Josefa Kny in der Online-Vortragsreihe #ImpulseStiften zentrale Forschungsergebnisse von Betterplace Lab zu Resilienz in der Zivilgesellschaft vorgestellt. Auf deren Resilienzverständnis beruht auch der nachfolgende Artikel, wobei jedoch der Transfer zum Museum hergestellt werden soll. Der Vortrag zum Nachschauen findet sich hier: https://www.impulse-stiften.de/archiv/
Demnach basiert Resilienz in Organisationen auf verschiedenen Ebenen:
Individuell: Die Belastbarkeit und Flexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Intersubjektiv: Zusammenarbeit, Teamkultur und Kommunikationsstrukturen
Strukturell: Organisatorische Prozesse und institutionelle Anpassungsfähigkeit
In den Publikationen wie „Nicht kleinzukrisen – Was die Zivilgesellschaft resilient macht“ oder der übersichtlichen „Starthilfe. Resilienz in zivigesellschaftlichen Organisationen“ unterscheidet Betterplace Lab fünf zentrale Faktoren der Resilienz von Organisationen:
Sinn & Werte – Eine klare Mission und verankerte Werte als Orientierung
Führung & Struktur – Flexible Entscheidungsprozesse und geteilte Verantwortung
Soziale Bindung – Starke interne und externe Netzwerke
Antizipation & Lernkultur – Anpassungsfähigkeit durch Wissen und Reflexion
Materielle Ressourcen – Nachhaltiges Wirtschaften und finanzielle Resilienz
Sinn & Werte
Ein resilientes Museum zeichnet sich durch eine klare Mission und verankerte Werte aus, die in Krisenzeiten Orientierung und Stabilität bieten. Ein starkes Sinnverständnis und ein tragfähiges Leitbild stärken die Handlungsfähigkeit, den Zusammenhalt und die gesellschaftliche Relevanz des Museums. Durch die bewusste Definition, aktive Umsetzung und regelmäßige Reflexion ihrer Werte erhöhen Museen ihre Widerstandskraft und bleiben wichtige Akteure des Wandels.
Wie eine gemeinsame museale Haltung aussehen kann, wird beispielsweise deutlich bei der Themenwahl der diesjährigen Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes: „Museen stärken Demokratie“. Der Sektor diskutiert eine gemeinsame Haltung und kann somit klare Werte formulieren.
Führung & Struktur
Resiliente Museen verfügen über klare Entscheidungsstrukturen, die auch in schwierigen Situationen Verlässlichkeit schaffen. Dabei geht es in keinem Fall darum, die Entscheidungsmacht zu bündeln, sondern im Gegenteil klare Rollen und verteilte Verantwortungen zu etablieren, die einer Organisation zur Handlungsfähigkeit verhelfen. Dazu zählt auch die Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken und eine Diversität von Perspektiven für sensible Lösungsfindungen einzubeziehen. Wie eine Führungsaufgabe resilient gestaltet werden kann, stellte Prof. Martin Zierold in einer Lunch Break mit dem Titel „Cultural Leadership. Führung in unruhigen Zeiten“ des Berliner Museumsverbandes dar.
In dieser Hinsicht haben non-profit Organisationen häufig einen Vorteil gegenüber dem for-profit Sektor, weil sie flexibler agieren und mit Veränderungen besser umgehen können, ergab die Studie „Resilienzkulturen. Was Non-Profit- und For-Profit-Organisationen im Umgang mit Krisen voneinander lernen können“.
Soziale Bindung
Starke soziale Bindungen, sowohl auf persönlicher als auch auf organisationaler Ebene, zahlen ebenfalls auf die Resilienz ein. Für die Zusammenarbeit in Museen kann das bedeuten, den Fokus auf wertschätzende Zusammenarbeit zu legen, gemeinsame Kommunikationsvereinbarungen zu treffen und Formate zu entwickeln, die der gegenseitigen Unterstützung, Wissensaustausch, Motivation und Inspiration dienen. Über die Kraft guter Verbindungen haben wir bei Spotlighting Museums bereits in Ausgabe 29 berichtet.
Ebenfalls können soziale Bindungen zu anderen Museen, Kulturinstitutionen und lokalen Gemeinschaften die Standhaftigkeit einer Organisation stärken. Beispielsweise Netzwerke wie „Das relevante Museum“ stärken die Resilienz einer Organisation, indem Verbündete eine gemeinsame Zielvorstellung bedienen und sich gegenseitig mit Ideen unterstützen.
Antizipation & Lernkultur
Resiliente Museen antizipieren zukünftige Herausforderungen: Sie reflektieren vergangene Krisen – seien es Pandemie, Finanzkrise oder gesellschaftliche Umbrüche – und nutzen dieses Wissen, um sich strategisch auf kommende Veränderungen vorzubereiten. Einen Einblick in konkrete Krisenvorbereitung gibt Susann Harder, Präsidentin von Blue Shield Deutschland, im Artikel „Handlungsfähig in der Krise. Überstand und Bedeutung der Notfallplanung in Museen“ (S.38-43) in der Museumskunde. Demnach müssen Kapazitäten geschaffen werden, um vergangene Herausforderungen zu reflektieren: Was hat in früheren Krisen funktioniert? Welche Schwachstellen wurden sichtbar? Darüber hinaus lassen sich Szenarien für die Zukunft entwickeln. Durch gezielte Methoden, wie Zukunftswerkstätten oder Planspiele, können Museen mögliche Entwicklungen durchdenken und Strategien ableiten. Eine resiliente Organisation fördert eine positive Fehler-Kultur, in der neue Wege ausprobiert und Misserfolge konstruktiv analysiert werden. Ein weiteres Beispiel für vorrausschauende Museumsarbeit gaben Benjamin Andrae und Theresa Scholle von METRUM bei der Lunch Break „Resilienz im Museum: Fokus Ausstellungen“ beim Berliner Museumsverband.
Materielle Ressourcen
Resiliente Museen streben eine nachhaltige Finanzierungsstrategie an und bilden finanzielle Rücklagen, um Krisen besser zu bewältigen. Ein entscheidender Faktor ist hierbei die Diversifizierung der Einnahmequellen – von Fördermitteln bis hin zu Kooperationen. Dies reduziert Abhängigkeiten und schafft finanzielle Stabilität. Gleichzeitig sind Puffer für unvorhersehbare Herausforderungen essenziell. Nachhaltige Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung stärken zudem die Zukunftsfähigkeit. Energieeffiziente Lösungen und digitale Formate können langfristig Kosten senken.
Resiliente Museen gestalten Zukunft
Die vorangegangenen Beispiele zeigen, dass bereits heute einige Museen wertvolle Impulse zur Stärkung ihrer Resilienz setzen. Auch wenn die Krisen der Gegenwart herausfordernd sind, liegt in der präventiven Resilienzsteigerung eine große Chance und kann uns Anlass geben, hoffnungsvoll nach vorn zu blicken. Denn Resilienz ist keine unüberwindbare Aufgabe, sondern eine erlernbare Fähigkeit, die Museen gezielt entwickeln können.
Museen, die sich aktiv mit ihrer Rolle, ihren Strukturen und Netzwerken auseinandersetzen, sind nicht nur besser auf Unsicherheiten vorbereitet, sondern bleiben auch in turbulenten Zeiten handlungsfähig. Resilienz bedeutet dabei weit mehr als Anpassung – sie ist der Schlüssel zur aktiven Gestaltung des Wandels. Indem Museen ihre Werte bewusst definieren, ihre Strukturen flexibel halten und sich mit starken Partnern vernetzen, werden sie zu treibenden Kräften einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Packen wir es an!
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ICOM Monday (Anmelden)
Gast: Elizabeth Merritt, American Alliance of Museums’ Vice President for Strategic Foresight, 7. April 2025, 17:00-18:30 Uhr, Online
DMB Jahrestagung 2025: Museen stärken Demokratie (Programm)
4. bis 7. Mai 2025, Chemnitz
Vielen Dank für Ihr Interesse an der aktuellen Newsletter-Ausgabe. Tauschen Sie sich gerne mit uns aus und berichten Sie uns, wie Sie die Resilienz in Ihrem Museum stärken (möchten). Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Herzliche Grüße
Sandra Richter
English Version
Welcome to the March issue of Spotlighting Museums! In times of multiple crises, we need spaces that offer orientation, reflection and confidence. Museums can be just such places – by not only preserving cultural heritage but also actively strengthening social resilience through their work. But what does an institution itself need to be resilient? How can organisational resilience be developed?
Museums as places of resilience, which successfully navigate through crises, were the subject of the last conference of the German Museums Association (Deutscher Museumsbund). As a result, the checklist ‘Crisis-proof museums’ (in German) was published last year, providing a concise insight into measures to strengthen resilience in museums. The ICOM Germany's series of events, ICOM Mondays, also regularly provide insights into crises and solutions in the international museum sector. The next event is taking place on 7 April with Elizabeth Merrit, Vice President for Strategic Foresight at the American Alliance of Museums.
“In times of turbulence, culture takes on greater responsibility. It becomes a new form of communication, a stronghold for democratic principles”1
This accurate assessment is made by the Georgian cultural manager Ana Riaboshenko in the article ‘Resilience through Culture’ (in German) by the Secretary General of the Goethe-Institut Johannes Ebert in the magazine ‘Kultur und Politik’. With this responsibility, new challenges naturally arise, which can push even the most experienced institutions to their limits. In this newsletter, we want to explore how museums can strengthen their resilience and thus be best prepared for crises.
What builds resilience in museums?
Organisational resilience is the ability to learn how to deal with crises and to remain capable of action in the long term. This does not mean simply holding out or remaining unshakable in crises. Rather, it is about recognising change as a constant, adapting structures and actively developing. Returning to the way things were before the crisis is often neither possible nor reasonable – the key is to use the transformative potential of challenges.
Dr Josefa Kny presented key research results on resilience in civil society from the Betterplace Lab in the online lecture series #ImpulseStiften (in German). The following article is also based on this understanding of resilience, but is transfered to the museum sektor.
Accordingly, resilience in organisations is based on different levels:
Individual: the resilience and flexibility of employees
Intersubjective: cooperation, team culture and communication structures
Structural: organisational processes and institutional adaptability
In publications such as ‘Don't make it small – What makes civil society resilient’ or the concise ‘Start-up aid. Resilience in civil society organisations’ (both in German), the Betterplace Lab distinguishes five central factors of organisational resilience:
Purpose & Values – A clear mission and established values as orientation
Leadership & Structure – Flexible decision-making processes and shared responsibility
Social Connection – Strong internal and external networks
Anticipation & Learning Culture – Adaptability through knowledge and reflection
Material Resources – Sustainable economic management and financial resilience
Purpose & Values
A resilient museum is characterised by a clear mission and firmly established values that provide orientation and stability in times of crisis. A strong sense of purpose and a viable mission statement strengthen the museum's ability to act, its cohesion and its social relevance. By consciously defining, actively implementing and regularly reflecting on their values, museums increase their resilience and remain important agents of change.
The theme of this year's annual conference of the German Museums Association (Deutscher Museumsbund), ‘Museums strengthen democracy’, is a good example of what a collective museum position might look like. By discussing a common position, the sector can formulate clear values.
Leadership & Structure
Resilient museums have clear decision-making structures that create reliability even in difficult situations. This is never about bundling decision-making power, but rather about establishing clear roles and distributed responsibilities that help an organisation to function. This also includes strengthening the personal responsibility of employees and incorporating a diversity of perspectives for finding solutions to sensitive issues. In a lunch break entitled ‘Cultural Leadership. Leading in Turbulent Times’ (in German), organised by the Museumsverband Berlin, Prof Martin Zierold explained how a leadership role can be shaped to be resilient.
In this regard, non-profit organisations often have an advantage over the for-profit sector because they can act more flexibly and deal with change better, according to the study ‘Resilience Cultures’ (in German).
Social Connection
Strong social connections, both at the personal and organisational level, also contribute to resilience. For collaboration in museums, this can mean focusing on appreciative collaboration, making joint communication agreements and developing formats that serve mutual support, knowledge exchange, motivation and inspiration. We explored the power of good connections at Spotlighting Museums in issue 29.
Likewise, social ties to other museums, cultural institutions and local communities can strengthen an organisation's steadfastness. In particular, networks such as ‘The Relevant Museum’ strengthen an organisation's resilience by uniting allies around a common vision and supporting each other with ideas.
Anticipation & Learning Culture
Resilient museums anticipate future challenges: they reflect on past crises – be they pandemics, financial crises or social disruptions – and use this knowledge to prepare strategically for coming changes. Susann Harder, president of Blue Shield Germany, in the article ‘Staying in control during a crisis: the importance of contingency planning in museums’ (in German). According to this, capacities must be created to reflect on past challenges: What worked in previous crises? What weaknesses became apparent? In addition, scenarios for the future can be developed. Museums can use targeted methods such as future workshops or simulation games to think through possible developments and develop strategies. A resilient organisation promotes a positive culture of learning from mistakes, in which new approaches are tried out and failures are analysed constructively. Benjamin Andrae and Theresa Scholle from METRUM gave another example of forward-looking museum work at the Lunch Break ‘Resilience in Museums: Focus on Exhibitions’ (in German) at the Berlin Museums Association.
Material Resources
Resilient museums aim for a sustainable financing strategy and build up financial reserves to better cope with crises. A key factor here is the diversification of revenue sources – from funding to partnerships. This reduces dependencies and creates financial stability. At the same time, buffers for unforeseen challenges are essential. Sustainable investments in infrastructure and digitisation also strengthen future viability. Energy-efficient solutions and digital formats can reduce costs in the long term.
Resilient museums shape the future
The preceding examples show that some museums are already providing valuable impulses to strengthen their resilience. Even though today’s crises are challenging, proactive resilience-building presents a great opportunity and gives us reason to look to the future with hope. After all, resilience is not an insurmountable task but a learnable skill that museums can deliberately develop.
Museums that actively engage with their role, structures, and networks are not only better prepared for uncertainties but also remain capable of action in turbulent times. Resilience is much more than mere adaptation—it is the key to actively shaping change. By consciously defining their values, keeping their structures flexible, and connecting with strong partners, museums can become driving forces for a sustainable society. Let's get started!
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ICOM Monday (Register)
Guest: Elizabeth Merritt, American Alliance of Museums' Vice President for Strategic Foresight
7 April 2025, 5:00-6:30 p.m., online
DMB Annual Conference 2025: Museums strengthen democracy (programme)
4-7 May 2025, Chemnitz
Thank you for your interest in this issue of the newsletter. We hope you will share your thoughts with us and tell us how you (would like to) strengthen resilience in your museum. We look forward to hearing from you!
Kind regards,
Sandra Richter
Johannes Ebert: Resilienz durch Kultur. Das Goethe-Institut positioniert sich in einer neuen Weltordnung (S.13), Politik & Kultur, Nr. 04/25